Barbara Calé – Mitarbeiterin der Stadtbibliothek „Johann Christoph Adelung“, Hansestadt Anklam
Beruflicher Hintergrund & Werdegang.
Ich benötigte nach meinem nicht abgeschlossenen Studium 1988 eine Ausbildung, und das Wohnhaus meiner Eltern lag in unmittelbarer Nähe zum Stammhaus der FHB Stuttgart. Gelesen habe ich als Kind und Jugendliche bis dato relativ langsam, aber stetig. Außerdem wollte ich, nachdem mein Berufswunsch der Pastorin nicht mehr offen stand, unbedingt etwas mit Menschen und Wissensvermittlung machen. Ich habe es nie bereut, die Ausbildung zur Diplom-Bibliothekarin in Stuttgart durchlaufen zu haben.
Ich bin Diplom-Bibliothekarin FH. Studiert habe ich – quasi im Zweitstudium – an der Fachhochschule für Bibliothekswesen in Stuttgart, Baden-Württemberg. Schon während der Ausbildung hat sich mein Wunsch, Auskunftsbibliothekarin zu werden herauskristallisiert. Zu Beginn meines Berufslebens im Mai 1992 habe ich dann auch genau da gearbeitet, wie ich es mir erträumt hatte, in der Münchner Stadtbibliothek am Gasteig, in der Zentralen Bibliothek im Auskunftsdienst. Dieser war dreigeteilt, zum einen an der Theke im Lesesaal mit Auskünften zum Präsenzbestand und zum Magazin. Zum zweiten der Dienst am Telefon – eigentlich mein Favorit, wo man Kundinnen und Kunden mit Hilfe von 4 alten Zettelkatalogen, zu denen man immer noch 10 – 15 Meter zu Fuß gehen musste, während die Anrufenden vertröstet werden mussten. Manche kurze Fragen konnte man auch gleich am Telefonplatz beantworten, so z.B. den Verweis auf die Bayerische Staatsbibliothek und deren telefonischen Auskunftsdienst. Unsere Zettelkataloge waren legendär! Zum einen natürlich einen alphabetischen und einen systematischen, aber auch einen Schlagwortkatalog. Die Regelwerke hierfür waren RAK und ASB. Der alphabetische Katalog der Staatsbibliothek war allerdings nach – bitte festhalten! – den Münchner Anweisungen, einer typisch bayerischen Spezialdapation der Preußischen Instruktionen, geordnet, und nicht alphabetisch, sondern nach dem ersten, sinntragenden Wort des Titels im Substantiv! Eine sehr gute Übung im logischen Denken.
Nach 2 Jahren in München und 15 Jahren als dreifache Mutter zu Hause arbeitete ich von 2009 – 2015 als Schulsekretärin an einer Privatschule in Greifswald. Und ab Januar 2016 bin ich als Bibliotheksangestellte in der Stadtbibliothek Johann Christoph Adelung in Anklam, Mecklenburg-Vorpommern angestellt. Jetzt bin ich Allrounderin, ich verbuche an der Theke, arbeite neue Medien technisch und systematisch ein, und leiste Auskunftsdienst für Romanliebhaberinnen, die ein schönes Buch suchen. 🙂
Hier mehr über Stadtbibliothek „Johann Christoph Adelung“ erfahren.
Bildnachweis Beitragsbild Barbara Calé: © Barbara Calé
Persönliche Erfahrungen.
Die tägliche Arbeit in einer öffentlichen Bibliothek einer Kleinstadt mit ca. 13.000 Einwohnern erfordert mehrere Fähig- und Fertigkeiten auf einmal. Von der technischen Bearbeitung neu angeschaffter Medien, über allerlei Reparaturen an Medien unseres Bestands, über die Bestandspflege, Regalordnung und computergestützte Einarbeitung der neuen Medien, bis hin zu allen Facetten der Öffentlichkeitsarbeit mit dem Entwerfen einer Pressemitteilung und dem Design von Flyern und Plakaten sowie der täglichen Auskunftsarbeit an der Theke. Schon vor, während aber auch und vor allem nach den eingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten für unsere Besuchenden, wo die Freihandbibliothek sehr schnell bei uns in eine althergebrachte Thekenbibliothek mutierte, ist vielen, vor allem älteren Benutzenden im Kopf und Herz geblieben, dass die drei Kolleginnen der Stadtbibliothek liebend gerne durch die überschaubar kleinen Räume huschen, um das richtige Buch oder die passende DVD für sie zu holen. Der Kontakt zu den Kundinnen und Kunden, auch über Krankheit und Tod hinaus, ist es, was diese Arbeit so wertvoll macht. Bei uns in Anklam steht die Belletristik eindeutig im Vordergrund, Sach- und Fachliteratur wird kaum nachgefragt, und ist entsprechend dünn. Und gerade hier ist der beratende Auskunftsdienst besonders wichtig.
Die besonderen Momente, wenn man einer Kundin oder einem Kunden durch ein empfohlenes Buch schöne Lesestunden bescheren konnte, und die Kundin und der Kunde dies beim Zurückgeben auch so erwähnt. Das macht wirklich Freude. Oder wenn man einer Benutzerin die Handhabung der Onleihe auf ihrem E-Book-Reader nahebringen kann, und sie dadurch von unseren eingeschränkten Öffnungszeiten unabhängig sein darf.
Generell schreibe ich für mein Leben gerne, und bin daher die – selbst ernannte – Kollegin für die Öffentlichkeitsarbeit. Ich formuliere Pressemitteilung und Texte zur Veröffentlichung in der kostenlosen StadtZeitung, erstelle dazu für alle unsere Veranstaltungen und Lesungen die Flyer und Plakate sowie die Eintrittskarten, und ich sorge dafür, dass unsere Veranstaltungen online gestellt werden, auf der Homepage der Hanse-und Lilienthalstadt Anklam, bei facebook und bei Instagram.
Seit ca. 18 Monaten führen wir – leider – nur einmal im Monat am Vormittag einen Kurs zur Hilfe am Smartphone und Laptop für die Generation 55+ durch, unter dem Titel SilverSurfer – Smartphonne-Hilfe Anklam. Hier kann man jedes Mal durch winzige Kleinigkeiten im Umgang mit der Technik viel Freude schenken.
Sinnstiftung & Mehrwert.
Im Vordergrund steht für mich täglich und immer wieder der persönliche Kontakt zu unseren Nutzenden, über E-Mail, Telefon aber vor allem face-to-face. Neben der rein bibliothekarischen Arbeit leistet man hier sehr häufig soziale Nachbarschaftshilfe, indem man Kundinnen und Kunden ins LeseCafé einlädt, und dort ein wenig mit ihnen spricht. Auch das ist Arbeit.
eben der Wissensvermittlung ist es hier in Anklam vor allen Dingen der Aspekt eines sozialen Treffpunkts mitten in der Stadt, im Rathaus am Markt. Zu uns kommen die Besuchenden auch einfach mal so, um die Tageszeitung zu lesen, um jemanden zu treffen, um die Seminararbeit am PC in der Bibliothek fertig zu schreiben, weil zu Hause zu vieles von der Arbeit ablenkt, um ein Heißgetränk zu genießen, oder ein Muffin zu futtern. Wir möchten als „Dritter Ort“ fungieren, neben Schule, Kindergarten und Arbeit sowie dem eigenen Zuhause als Ort, wo man sich wohlfühlen kann.
Gerade die eben erwähnten SilverSurfer, die Hilfe zur Selbsthilfe im Umgang mit neuen, technischen Geräten in den Händen der Nutzenden, vor allem Angehörigen der Generation 55+ sind hier in Anklam einzigartig und sehr wichtig. Leider ist es uns bei einer Teilzeitanstellung von derzeit 34 Wochenstunden, einem Bestand von ca. 21.000 Medien und ca. 1.300 Nutzerinnen und Nutzer bei ca. 64.000 Entleihungen pro Jahr (alle Angaben sind Stand Dezember 2023) und insgesamt drei Kolleginnen auf 2 Etagen, oben die Erwachsenen und Jugendliche ab 14 Jahren, unten die Kinderbibliothek, nicht möglich, dies wichtige Angebot mehr als einmal im Monat durchzuführen. Nötig und richtig wäre es, dies mindestens zweimal im Monat oder gar jede Woche einmal als regelmäßigen Termin zu veranstalten.
Empfehlungen.
Es ist eine super Mischung aus Wissen, Wissensvermittlung, Recherchearbeit, Pressearbeit und ganz viel Dienst am Kreis der jeweiligen Nutzenden. Auch in einer wissenschaftlichen Seminarbibliothek an einer Universität muss ein bibliothekarisch geschulter Fachmensch mit Mitmenschen „können“. Und auch wenn man, nicht wie ich, nicht endlos quatschen kann und will, jede öffentliche und wissenschaftliche Bibliothek benötigt ruhige Mitmenschen für allerlei wichtige Aufgaben im backoffice.
Ich würde jetzt spontan empfehlen, auf jeden Fall am Wohnort Nutzende der örtlichen öffentlichen Bibliothek zu werden, und ein Praktikum, meist unbezahlt und recht kurz, in einer Einrichtung anzustreben. Beim Besuch der örtlichen Bibliothek gerne und bevorzugt Kolleginnen und Kollegen einfach anquatschen, was sie so machen, und was man für Aufgaben als Bibliotheksangestellte haben wird.
Wichtig sind ein großer Sinn für Ordnung, ein gutes, durchschnittliches Sprachgefühl in Deutsch, die Fähigkeit, den richtigen Punkt im Alphabet aufzufinden, und keine Angst zu haben vor langweiligen Routinen, auch die gibt es natürlich. Und, zumindest in öffentlichen Bibliotheken ist ein normaler Kontakt zu Mitmenschen und ihren Wünschen und Belangen unabdingbar. Wer nicht so viel und direkt in Kontakt zu anderen Mitmenschen kommen möchte, sollte eine Karriere im Archiv oder einer wissenschaftlichen Bibliothek anstreben. Ganz wichtig ist es mir, folgenden Punkt festzuhalten. Die Fähigkeit und die Motivation, viel, sehr viel und schnell zu lesen, ist ausdrücklich KEINE GRUNDVORAUSSETZUNG, aber ein gern gesehenes Schmuckwerk im Rahmen der Karriere im Bibliothekswesen. Wir lesen nicht mehr als andere Berufsangehörige, wie müssen auch nicht viel lesen, wir müssen nur wissen, wo etwas zu finden sein könnte, und welches Buch gerade jetzt für genau diese Kundin und diesen Kunden gewinnbringend sein sollte. Aber auch hier ist man nicht unfehlbar.
Wir sind ein kleines Team, und arbeiten von früh bis spät Hand in Hand. Wir haben jede kein eigenes Büro, sehen uns ständig und bleiben den ganzen Tag in Kontakt. Absprachen werden ganz schnell und unkompliziert direkt getroffen, Teamsitzungen benötigen wir nicht, Teamgeist dagegen sehr. Gegenseitige Vertretungen und Übernahmen von Thekendiensten sind alltäglich und dauernd gefordert und sehr gerne geleistet.
Entwicklungen & Zukunftsaussichten.
Natürlich wird man verstärkt digital arbeiten, noch mehr als bisher. Wir hier in Anklam, aber auch die Kolleginnen und Kollegen in Wolgast, Stralsund, Rostock oder Greifswald, arbeiten sehr viel mit print-Medien, weil dies der Wunsch der Nutzenden ist. Es gibt aber daneben auch Bibliotheksnutzende, die ausschließlich die Onleihe MV nutzen und digital Bücher, Zeitschriften und Hörbücher entleihen. Die online-Recherche, die Möglichkeit, über E-Mail und vor allem im eOPAC von BVS zu stöbern, Medien vorzumerken, zu verlängern oder auch Vormerkungen zurückzunehmen, wird zunehmend von unseren Benutzerinnen und Benutzern genutzt. Darauf sind wir sehr stolz und das entlastet unsere tägliche Arbeit schon enorm. Und trotzdem darf man auf der anderen Seite aber nicht vergessen, neben und trotz der zunehmenden Digitalisierung des Alltags, das Mitmenschliche, das Einfache, das Händische im Aufsuchen von Literatur z.B. mit einzubauen. Und gerade die Generation 55+ sollte mitgenommen werden auf dem Weg der zunehmenden Technisierung des Lesens und Konsumierens von Wissen. Egal, was immer wieder herumgeistert, das gedruckte Buch, gerade als Roman, ist nicht tod, und wird NIEMALS sterben. Dafür sorgen schon unsere fleißigen, vor allem auch jüngeren Schriftstellerinnen und Schriftsteller, wie z.B. unsere Autorin aus Anklam, Fieda Radlof. Unbedingt googeln und ihre Romane lesen. Sie veröffentlicht noch unter den Pseudonymen Philippa Jordan (Krimis) und Anna-Maria Atwell (Jugendbücher), oder natürlich die bei uns im Landkreis beheimatete, deutschlandweit bekannte Antonia Michaelis.
Neben dem Technik-Nachhilfe-Kurs der SilverSurfer bietet unsere Bibliothek im LeseCafé kostengünstige Heißgetränke, kostenfreies Leitungswasser und täglich wechselnde, selbst gebackene Kleinigkeiten aus meiner Küche. Dies, und die beiden Desktop-PCs können auch von Menschen OHNE Bibliothekszugehörigkeit genutzt werden. Desgleichen kommen viele Noch-Nicht-Nutzende zu unseren Lesungen und zu unseren regelmäßig stattfindenden Bücher-Flohmärkten und vor allem zu Spiele-Nachmittagen, wo, ganz klassisch, unter fachkundiger Anleitung unserer Spielberater Sieglinde und Heiner Wöhning, alte, aber vor allem auch neue Gesellschaftsspiele gespielt werden. Auch hier treffen wir immer wieder Menschen, die unsere Einrichtung noch nicht kannten oder benutzen. Zu allen drei Veranstaltungen ist der Zutritt zum einen nicht an eine Bibliotheksmitgliedschaft gebunden und zum anderen kostenfrei und für alle offen.
Die besonderen Momente, wenn man einer Kundin oder einem Kunden durch ein empfohlenes Buch schöne Lesestunden bescheren konnte, und die Kundin und der Kunde dies beim Zurückgeben auch so erwähnt. Das macht wirklich Freude.