Ingela Wieking – Leitende Bibliothekarin in der Deutschen Zentralbücherei Apenrade (Dänemark)
Beruflicher Hintergrund & Werdegang.
Wunschberuf, der mich nach 27,5 Jahren noch immer sehr erfüllt. Von September 1992 bis September 1996 habe ich den Studiengang „Bibliothekswesen“ an der Hamburger Fachhochschule absolviert, damals noch beheimatet in der Talmud-Tora-Realschule am Bornplatz im Grindelviertel, wo früher eine der Hamburger Synagogen stand.
In einem Vertiefungssemester nach meinem Diplomabschluss lernte ich die Anfänge des Internets kennen (Suchmaschinen, Website-Aufbau, Fachinformations-Datenbanken) und hatte Zeit, mich zu bewerben. Auf Empfehlung der Hochschule begann ich im Mai 1997 in der Stadtbibliothek Flensburg auf einer befristeten Projektstelle, die hauptsächlich der Einführung des ersten EDV-Systems mit der Bibliothekssoftware „Biber“ diente. Nach 1,5 Jahren wechselte ich für 1,5 Jahre in die vertretungsweise Leitung der Stationsbücherei Kropp (bei Schleswig), ebenfalls mit einem Zeitvertrag.
Nach 3 Jahren Befristung konnte ich im April 2000 in den Verband Deutscher Büchereien Nordschleswig in Dänemark wechseln, auf eine unbefristete Vollzeitstelle. Durch ein Interreg-Projekt bei der EDV-Umstellung in der Stadtbibliothek Flensburg hatte ich bereits mit dem Team der Deutschen Zentralbücherei Apenrade über die Grenze hinweg zusammengearbeitet. Den Büchereiverein und die Büchereizentrale Schleswig-Holstein kannte ich durch meine Arbeit in Kropp, dort war ich in jenen 1,5 Jahren angestellt.
Da ich zum Zeitpunkt meiner Bewerbung in Apenrade an der Dansk Centralbibliotek in Flensburg einen Dänischkurs absolvierte, konnte ich auch die gewünschten Sprachkenntnisse und die Bereitschaft, diese mir weiter anzueignen, vorweisen.
Bereits im Studium hatte ich an den Praxistagen und im Praxissemester gespürt und erlebt, dass ich am richtigen Platz bin. Die Beschäftigung mit Literatur, der Auskunfts- und Beratungsdienst, die Vermittlung von Bildung und Kultur, die Leseförderung der Kinder bieten eine große Bandbreite an dauerhaft interessanten Arbeitsaufgaben.
Auch die Veranstaltungsarbeit macht mir großen Spaß. Gastgeber sein, Kontakt mit Künstlerinnen und Künstlern, Autoren und Autorinnen, Organisieren von Ausstellungen und Lesungen sind immer wieder bereichernd.
In unserer heutigen Zeit sind Bibliotheken wichtiger denn je. Daseinsvorsorge, Alltagsbewältigung, Aufenthaltsqualität, Begegnungen und Gespräche sind in meinem Berufsalltag keine leeren Worte.
Hier mehr über die Deutsche Zentralbibliothek Apenrade (Dänemark) erfahren.
Bildnachweis Beitragsbild Ingela Wieking: © Karin Riggelsen
Persönliche Erfahrungen, Sinnstiftung & Mehrwert.
Ich schätze besonders, dass ich solch eine Vielfalt im Berufsalltag habe: vermitteln, beraten, organisieren, neue Medien bestellen, inhaltlich und formal erschließen, Kontakt mit ganz unterschiedlichen Altersgruppen und Menschentypen.
Bibliotheksarbeit ist in hohem Maße ideel und nicht kommerziell, das gefällt mir besonders.
Ich mag meine Schwerpunkte: die Ausbildung von Praktikantinnen und Praktikanten, die Betreuung unserer Artothek, die Organisation von Kunstausstellungen und Vernissagen und mein Literaturkreis liegen mir am Herzen. Ein großer Teil meiner Arbeitszeit ist dem Bestandsaufbau und den vielfältigen Aufgaben an der Ausleihtheke gewidmet.
Besondere Schlüsselmomente gab es nicht, es war von Anfang an eine Berufung und Erkenntnis, hier bin ich am richtigen Platz.
Als Bibliothekarin ist man am Puls der Zeit, gestaltet und begleitet gesellschaftliche Veränderungen, nimmt Stellung zu Themen wie Demokratie und Nachhaltigkeit, zu veränderten Geschlechterrollen und der allgegenwärtigen KI.
Als Bibliothek der deutschen Minderheit in Dänemark haben wir eine Sonderstellung, sind angesiedelt zwischen einer privaten Institution und einer dänischen „folkebibliotek“. Im Haus Nordschleswig, welches die Deutsche Zentralbücherei Apenrade beherbergt, laufen die Fäden der Büchereiarbeit in Nordschleswig zusammen und es ist gleichzeitig der Sitz der Verwaltungseinheiten der deutschen Minderheit, zu diesen gehören der Schul- und Sprachverein und die Schleswigsche Partei.
Als Grenzpendlerin mit Wohnsitz in Flensburg finde ich es bereichernd, mit zwei Sprachen und Kulturen zu leben und im Berufsalltag dänische Mentalität und das dänische Wertesystem zu erleben.
Der Verband Deutscher Büchereien Nordschleswig ist sowohl in der dänischen Mehrheitsbevölkerung anerkannt und etabliert, als auch in der deutschen Minderheit, wo er neben den anderen Einrichtungen wie deutschen Schulen, Kindergärten, Kirchen und einem vielfältigen Vereinsleben eine zentrale Rolle spielt. Die Büchereien in Apenrade, Tingleff, Tondern, Sonderburg und Hadersleben sind wichtige Orte der Begegnung und unsere beiden Bücherbusse versorgen die Bevölkerung im ländlichen Raum, sind sozusagen der Kitt in der Minderheit, besuchen darüber hinaus auch deutsche und dänische Institutionen. Wir kooperieren eng mit der Büchereizentrale Schleswig-Holstein und den entsprechenden dänischen Partnern.
Der Beruf als Bibliothekarin ist sinnstiftend, da er viele Ideale vereint. Büchereien sind ein wichtiger Baustein in unserer Gesellschaft und durch die Entwicklungen im digitalen Bereich sind sie relevanter und wichtiger denn je. Einen Überblick behalten im Informationsdschungel, Schulungen anbieten durch alle Altersgruppen hinweg im digitalen Bereich, Ansprechpartner sein für einzelne Hilfestellung mit digitalen Endgeräten, Medienkompetenz durch alle Altersgruppen hinweg vermitteln und aufrechthalten – dies sind nur einige der vielfältigen Aufgaben aus unserem Arbeitsalltag.
Ich mag die Mischung aus ruhigen Aufgaben am Regal, der administrativen, auch strategischen Arbeit hinter den Kulissen, dann wieder das pralle Leben, mit Kinder- und Schülergruppen, den Austausch im Literaturkreis und in unseren Veranstaltungen, wo wir auch ein Forum bieten für politisch aktuelle Themen. Kein Tag ist wie der andere, welche Gespräche, Menschen und Anfragen man an der Ausleihtheke erlebt, ist nicht absehbar und immer wieder überraschend und bereichernd.
Literatur bildet das Leben ab und wir dürfen diese vermitteln, ohne auf kommerziellen Erfolg aus zu sein, das empfinde ich als Geschenk.
Empfehlungen.
In einer Bücherei finden unterschiedliche Charaktere und Persönlichkeitstypen ihren Platz. Vom introvertierten Bücherwurm, bis hin zur kreativen Ideengeberin – die Mischung macht’s. Teamarbeit ist eine wichtige Komponenten, da die Arbeitstage in einer Bücherei so vielfältig und oft lang sind, da braucht es Abstimmung und Absprache, wer was macht.
Büchereiarbeit ist nachhaltig, erfordert Sorgfalt und Gründlichkeit, einen langen Atem und Ausdauer – gerade auch im Bereich der Kontakt- und Veranstaltungsarbeit und bei der Umsetzung neuer Ideen und Trends. Das dänisch geprägte Arbeiten mit Mut und Offenheit zum Ausprobieren und auch wieder Verwerfen, wenn sich etwas nicht bewährt oder etabliert hat, gefällt mir gut. Eine hohe Eigenverantwortung und flache Hierachien sind hier keine leeren Worte.
Kommunikation hat einen hohen Stellenwert – nach innen und nach außen. Wir kommunizieren mit unseren Leserinnen und Lesern, mit unseren Besucherinnen und Besuchern und nach innen im Büchereiteam und den vielen Kontakten und Kooperationspartnern. Durch neue Programme, Kanäle und Geräte ist die Kommunikation vielfältiger geworden, was auch den Arbeitsalltag prägt. Verschiedene Chatformen, die Möglichkeiten im Homeoffice machen das Arbeiten flexibler.
Meine Ratschläge an Interessierte: Praktika machen, Reinschnuppern, wo sich die Gelegenheit bietet, Kontakt aufbauen zur örtlichen Bibliothek, z. B. durch Teilnahme an Veranstaltungen und Ehrenamt. Eine gute Hochschule oder Ausbildungsbibliothek suchen und finden und sich möglichst früh klar werden, welche Richtung man einschlagen möchte, ob wissenschaftliche Bibliothek oder öffentliche Bücherei.
In unserer heutigen Zeit sind Bibliotheken wichtiger denn je. Daseinsvorsorge, Alltagsbewältigung, Aufenthaltsqualität, Begegnungen und Gespräche sind in meinem Berufsalltag keine leeren Worte.